„Die schwierige Lage der Autoindustrie hängt nach Ansicht von Mercedes-Chef Olaf Källenius nicht allein mit der Ungewissheit über die Zukunft des Verbrennungsmotors und der weltwirtschaftlichen Lage zusammen, sondern auch mit den Rahmenbedingungen.“ So weit ein Auszug aus dem Artikel (1). Sicher richtig, aber es könnte auch andere Gründe geben, zum Beispiel, dass man als ehemaliges Innovationswunder einen Trend verschlafen hat, den der Elektromobilität, und jetzt dringend aufholen muss. Hier ein paar Daten: der Marktanteil deutscher Autos im Leitmarkt China sinkt seit Jahren (2015-20: 24%, 2020-24:15%). Die Reaktion von Herrn Källenius? Mehr Luxus! Eine gute kurzfristige Lösung, um bei sinkenden Absatzzahlen das gleiche Geld einzunehmen. Aber langfristig? Technologieoffenheit bedeutet nicht, sich am Alten festzuhalten. Herr Källenius sollte sich die Entwicklung des Marktanteils von Pferdedroschken seit der Einführung von Automobilen genau anschauen. In einem Interview in der Zeit äußerte der VW Chef Oliver Blume, dass die Kunden von Porsche noch immer den Verbrenner-Sound mögen und dass die Porsche Ingenieure daran arbeiten, den Sound auf das Elektro-Auto zu übertragen. Im Mercedes-Museum kann man noch einige Autos bewundern, die wie Kutschen aussehen, ein Pferd war aber nicht zu sehen. Die deutsche Autoindustrie sollte nicht im Museum enden und Autos für nostalgische Fans herstellen.
Die globale Autoindustrie agiert auf dem Mobilitätsmarkt, nicht auf dem Verbrenner-Markt. Wer Mobilität will, entscheidet sich zunehmend für eine andere Technologie, er selbst empfiehlt ja auch ein Elektrofahrzeug. 2024 war der Anteil von Fahrzeugen mit Elektroantrieb in China bei 45%, ein Fünftel der Neuzulassungen in Deutschland waren im vergangenen Monat rein elektrisch, und das im Verbrennerland Deutschland. Viele Unternehmen und ganze Branchen sind daran gescheitert, einen Technologiewandel am Markt umsetzen zu können. Das ist eine Herkulesaufgabe, die die ganze Aufmerksamkeit des Managements braucht. Hoffen wir für die Region, dass sich diese Erkenntnis auch bei Mercedes und Porsche durchsetzt, sonst geht es diesen Untenehmen wie vielen anderen, die das “Innovator‘s Dilemma“ nicht lösen konnten, das Clayton M. Christensen in seinem Standardwerk beschrieben hat – sie verlieren.
Diesen Leserbrief habe ich heute abgeschickt, nachdem am Wochenende in der Kreiszeitung von Böblingen ein Artikel zu einer Podiumsdiskussion über die Zukunft der Autoindustrie erschienen war. Liest man die Beiträge, so fällt auf, dass es viele Analysen gibt, warum äußere Einflüsse zu der gegenwärtigen Krise geführt haben, jedoch wenig die Frage aufkommt, was die Verantwortlichen jetzt tun können. Die deutsche Autoindustrie muß sich neu erfinden, es sind nicht nur die Kosten. Die momentane Konzentration auf Kosten schreibt das Modell der letzten Jahrzehnte nur weiter. Autohersteller haben sich ein Sklavensystem von Zuliefer-Betrieben erzogen, die die Innovation bei ständig sinkenden Gewinnen liefern mussten, während der Autokonzern das Ganze vor allem verwaltet. Das schafft ein Klima der Innovationsfeindlichkeit, einfach weil bei den Zulieferern der finanzielle Spielraum und damit die Kreativität fehlt. Ich höre schon den Aufschrei, man sei ja schließlich der Erfinder des Autos, und baue noch immer die besten Autos. Die besten Autos definieren sich nicht nach der Ingenieursleistung, sondern nach dem Markterfolg und dem wahrgenommenen Wert für den Kunden. Und hier ist die Entscheidung fragwürdig, eine sterbende Technologie weiter zu betreiben, nur weil die Ingenieure und die Zulieferer das am besten können. Um den Technologiewandel muss man mit der gesamten Wertschöpfungskette vertrauensvoll zusammenarbeiten, nicht jeden Cent aus dem Kostengerüst herausquetschen. Jeder Euro, der in die Verbrennertechnologie investiert wird, ist eine Investition weniger in die Zukunft.
(1) Link zum Artikel, eventuell hinter einem Bezahlvorhang https://zeitung.krzbb.de/data/111396/reader/reader.html?#!preferred/0/package/111396/pub/151545/page/1/content/5002971
Bildnachweis: Mercedes-Benz https://www.mercedes-benz.com/de/innovation/meilensteine/mercedes-benz-fahrzeuge/daimler-motorkutsche/













