Tages-Kommentare

Worauf sich eine parteiübergreifende Mitte einigen könnte…

In den Wochen seit dem Bekanntwerden der Correctiv-Recherche fand sich eine bisher schweigende Mitte zusammen, um gegen die rechten und demokratiefeindlichen Tendenzen in der Gesellschaft  zu demonstrieren. Mit der Abstimmung zum CDU/CSU Antrag, der nur mit der Unterstützung der AfD angenommen wurde, hat sich etwas verschoben. Die Haltung der CDU/CSU zur Schuldengrenze hat – bei allen guten Gründen für die Entscheidung – die Glaubwürdigkeit von Politik weiter leiden lassen.

Trotz der notwendigen Differenzen zwischen Parteien ist es heute wichtiger den je, sich gemeinsam für den Erhalt demokratischer Grundsätze jenseits der notwendigen Debatte um Inhalte einzusetzen. Der Konsens, wie in einer Demokratie um die beste Lösung gestritten werden soll, darf uns als Gesellschaft nicht abhanden kommen. Auf welcher Basis sollte dieser Streit gründen? Ich habe im Folgenden versucht, die wesentlichen Positionen zu beschreiben, die aus meiner Sicht in einer Demokratie als Grundvoraussetzungen gegeben sein sollten.

Das Grundgesetz als Basis unserer Demokratie

  • Die Grundhaltung der Verfassung muss in der Gesellschaft und in der Gesetzgebung widergespiegelt werden. Eine öffentliche Debatte ist wünschenswert, solange sie die Grundwerte der Verfassung nicht in Frage stellt.
  • Alles durch das Verfassungsgericht entscheiden lassen zu wollen, ist nicht möglich und nicht im Sinne der Verfassung, Dies betrifft insbesondere die Klärung politischer Fragen. Dadurch wird das Verfassungsgericht unzulässig politisiert. Sollte das Verfassungsgericht trotzdem in Ausnahmesituationen über eine politische Frage entscheiden müssen, so ist dies als rechtliche Bewertung der gesetzlichen Grundlagen zu sehen, nicht als politische und parteiliche Stellungnahme.
  • Ein Eingriff in die Zusammensetzung oder die Entscheidungsprozesse des Verfassungsgerichtes braucht eine Verankerung in der Verfassung, was heute nicht gegeben ist, weil diese Verfahren in einem einfachen Bundesgesetz (BVerGG) geregelt werden. Als weiterer Schutz sieht das Verfahren die Entscheidung beider Kammern (Bundesrat und Bundestag) vor. Auch dies gilt es zu erhalten und in der Verfassung zu verankern.

Respektvoller Dialog auf der Basis von überprüfbaren Fakten

  • „Meinung ändert keine Tatsachen“, Petrarca (1304-1374)
  • Fakten und Behauptungen in einer Debatte müssen überprüfbar sein. In einer laufenden wissenschaftlichen Debatte gibt es oft für verschiedene Hypothesen jeweils datenbasierte Studien. Dies ist Teil des Erkenntnisprozesses, kein Zeichen von Manipulation.
  • Die Forderung, Fakten zu überprüfen, darf nicht als Instrument der Verschleppung, Verschleierung und Entwertung von Diskussionsbeiträgen missbraucht werden
  • „Wissenschaftliches Argumentieren“ darf sich nicht auf das Zitieren einzelner Studien beschränken, sondern sich auf den gesamten wissenschaftlichen Stand der Debatte beziehen. Wissenschaftliche Erkenntnis entsteht aus dem permanenten Abgleich durch Debatte und Datenbeurteilung, nicht durch die Betonung einzelner Meinungen, die als wissenschaftlich bezeichnet werden.

Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung

  • Gerichte sind unabhängig von der politischen Willensbildung, aber sie sind nicht fehlerlos. Das muss in der Gesellschaft offen diskutiert werden, ohne das Konzept einer unabhängigen Justiz in Zweifel zu ziehen.
  • Man kann über einzelne Urteile diskutieren, aber auf Basis einer öffentlichen Debattenkultur, sonst wird das notwendige Vertrauen in die richterliche Entscheidung erschüttert. Mechanismen zum Schutz des Verfahrens und der Prozessbeteiligten sind dabei zu berücksichtigen. Diese Mechanismen können dazu führen, dass nicht alle Fakten öffentlich sind. Das ist zu akzeptieren und kein Zeichen einer Systemschwäche.
  • Die juristische Debatte von Urteilen kann als Regulativ wirken. Der Versuch, auf die Justiz politisch einzuwirken, ist dadurch aber nicht legitimiert.
  • Eine öffentliche Kontrolle von Entscheidungen sollte durch Transparenz der Entscheidung geschehen, die mit dem notwendigen Sachverstand geführt wird. Manchmal reicht es schon, das dazugehörige Urteil und die Begründung zu lesen.

Kritische Akzeptanz der Medien, der vierten Kraft der demokratischen Willensbildung

  • Auch wenn Medien nicht die Quelle einer unparteilichen Wahrheit sein können, sind sie eine wichtige und unabhängige Möglichkeit, Informationen über die Zustände und Missstände in der Gesellschaft zur Diskussion zu stellen.
  • Alle Medien müssen sich der Kontrolle durch die Öffentlichkeit und die Medien stellen, insbesondere auf die Einhaltung journalistischer Standards und Regeln ist zu achten.
  • Eine generelle Verunglimpfung der Medien ist gefährlich und unangemessen, Kritik an den Medien muss durch nachvollziehbare Fakten gestützt werden können.
  • Informationen aus den sozialen Netzwerken bedürfen einer besonderen Sorgfalt bei der Bewertung, weil hier die journalistischen Standards und Regeln nur schwer kontrolliert werden können.

Das Bekenntnis zum europäischen Gedanken

  • Die Einigung in Europa ist unausweichlich, um den Frieden zu sichern und die gesellschaftliche Entwicklung voranzutreiben.
  • Die Gestaltung der Einigung geht nicht ohne Kompromisse und Zugeständnisse, alle Einzelstaaten sind diesem Gedanken verpflichtet.
  • Über den Weg, wie Europa gestaltet werden kann, sollte und darf debattiert werden, jedoch ohne den Kern des europäischen Gedankens, den Zusammenhalt Europas auszuhöhlen.

Die Menschenrechte als Grundlage des internationalen Zusammenlebens

  • Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Jede internationale Zusammenarbeit muss sich an dieser Referenz messen lassen.
  • In der internationalen Zusammenarbeit kann nicht immer der absolute Anspruch auf die Einhaltung der Menschenrechte zur Voraussetzung gemacht werden. Sie muß aber das Ziel haben, auf Verbesserung hinzuarbeiten und die eigene Haltung zu den Menschenrechten klar zu kommunizieren.
  • Dies beinhaltet auch die Institution des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag. Menschenrechtsverstösse müssen diskutiert, gekennzeichnet und geahndet werden können.

Natürlich bedeutet diese Ausstellung nicht, dass die Ausgestaltung dieser Grundsätze „ewige Wahrheiten“ im Sinne eines Verbotes des Hinterfragens sind. Aber die Diskussion sollte sich um das „Wie“ kümmern, nicht um ein „Ob“.

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