Sagt man den Satz „Leistung muss sich wieder lohnen“ so kann man im allgemeinen mit großer Zustimmung rechnen. Das ist schließlich nur fair, wer viel leistet, soll dafür auch belohnt werden.Wenn man aber genauer hinschaut, dann wird es plötzlich zweifelhaft, ob eine Gesellschaft, die nach diesem Prinzip gestaltet ist, wirklich lebenswert ist. Dazu habe ich einen interessanten Podcast gehört, auf den sich mein Kommentar bezieht [1]. Insbesondere angesichts einer intensiv geführten Debatte um Bürgergeld und Gerechtigkeit sollte dem Stereotyp der gerechten Leistungshonorierung nicht einfach zugestimmt werden.
Wir haben geklatscht, als Pflegepersonal und medizinisch Tätige in den Krankenhäusern der Gesellschaft einen großen Dienst erwiesen haben, weil sie mit hohem persönlichen Risiko die Corona-Kranken gepflegt und behandelt haben. Es gab dazu im Nachgang eine große Debatte um die Bezahlung und Honorierung dieser Arbeit. Hier – wie in sehr vielen anderen Bereichen – wird zwar eine große Leistung für die Gesellschaft anerkannt, spiegelt sich aber nicht bei Bezahlung und Anerkennung wider. Das wirft die Frage auf, was eigentlich als Leistung bewertet wird? Die Schwere der Arbeit, Verantwortung für das Wohlergehen anderer, finanziell wirksamer Entscheidungsraum, persönliches Risiko?
Wer also den berühmten Satz sagt, muss auch eine Definition liefern, was er denn unter „Leistung“ versteht, damit man gemeinsam die Definition anwenden kann, um eine gerechte Verteilung der „Belohnung“ vornehmen zu können. Während die Mehrheit dem Satz zustimmt, wird es bei der Definition von Leistung deutlich kontroverser. Wenn sich Manager von DAX Unternehmen darauf berufen, dass die Verantwortung für ein großes Unternehmen die Millioneneinkommen berechtigt, so ist das dem Bandarbeiter spätestens dann schwer zu vermitteln, wenn die gleichen Manager die Verantwortung für Fehlverhalten delegieren oder verneinen. Der Verwaltungsangestellte stimmt dem Kriterium „körperliche Anstrengung“ nur dann zu, wenn es um die Vorruhestandsregelung von Dachdeckern geht. Warum er aber mehr als ein körperlich schwer arbeitender Zimmermann verdient, ist weniger plausibel. Die Arbeit von Herrn Merz in seiner Zeit bei dem Vermögensverwalter Blackrock war sicher nicht von körperlicher Belastung geprägt, sicher war sie mental anstrengend, anstrengender als die Arbeit am Hochofen? Schwer zu sagen.
Als Gesellschaft stimmen wir dem Leistungsprinzip zu, die notwendige Verhandlung darüber, wie man Leistung und Belohnung definiert, überlassen wir aber einem Mechanismus, der nur bedingt transparent ist. Die Gesetze des Marktes sollen es richten, nur leider gibt es einige Probleme mit diesem Markt.
- Der Markt ist abhängig davon, dass man Leistung in Geld übersetzen kann. Ohne das Schmiermittel Geld kann man Angebote auf dem Markt nicht bewerten oder vergleichen
- Das jetzige Verhalten auf den Markt vereinfacht daher und externalisiert alles, was sich nicht durch Geld beschreiben lässt oder dessen Kosten zu hoch sind, als dass sie jemand zahlen könnte. Beispiele sind die Kosten von Umweltverschmutzung, Artensterben und Klimabeeinflussung. Auch soziale Gerechtigkeit wird externalisiert.
- Der Markt bevorteilt diejenigen, die Kapital haben, gegenüber denjenigen, die nur ihre Arbeitskraft als Leistung anbieten können. Das klingt nach Marx, stimmt aber. Seine Verlobte in die Nähe des Mondes zu schiessen kann sich ein Jeff Bezos eher leisten als seine als Subunternehmer angestellte Fahrerin. Arbeitskraft lässt sich zunächst nur in Geld umtauschen und ist vom Markt abhängig, Geld ist schon das Tauschmittel.
Der Markt verzerrt daher die Bewertung von Leistung. Wieviel müsste eine Familie verdienen, um die geleistete Care-Arbeit für die Erziehung von Kindern und die Pflege von Familienangehörigen bezahlt zu bekommen? Unser gegenwärtiges System externalisiert diese Leistung, sie muss nicht vom Unternehmen bezahlt werden, sondern über Steuererleichterungen von der Allgemeinheit.Zur Erinnerung, ab einem bestimmten Einkommen sinkt die Steuerlast prozentual wieder.
Nur eine transparente Offenlegung von Einkommen und Steuerlast kann die Gestaltung der Belohnung fair machen, ebenso wie eine gesellschaftliche Debatte über die Definition von Leistung.
Funfact:
Deutschland verliert jährlich nach Schätzungen ca. 123 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung. Für das Bürgergeld im Jahr 2025 werden Steuermittel in der Höhe von 36 Milliarden Euro bereitgestellt (Daten von Microsoft Copilot recheriert).
[1] Podcast Leistung – Kein Maßstab für eine gerechte Gesellschaft https://www.ardaudiothek.de/episode/urn:ard:episode:1dea1a2ad1ab9935/
Bildnachweis: Das Titelbild wurde mit Microsoft Copilot erstellt
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