In diesem Teil versuche ich die Ereignisse seit dem 7.Oktober 2023 zu dokumentieren. Ich benutze dabei hauptsächlich die Quellen der UN, neben einem Bericht der Human Rights Watch. Es ist sehr schwer, sich einen Überblick zu verschaffen. Die Ablehnung der UN durch die israelische Regierung und die Vorwürfe der Parteilichkeit machen es schwierig, gleichzeitig sind Äußerungen der palästinensischen Seite schwer zu überprüfen, denn man darf nicht vergessen, dass der Gaza-Streifen von einer Terrororganisation regiert wird. Trotzdem nutze ich die Quellen der UN, denn die UN hat eine lange Geschichte in diesem Konflikt und vertritt auch den völkerrechtlichen Rahmen, der nach dem 2. Weltkrieg als einzige multinationale Organisation die notwendige Orientierung geben kann, vielleicht neben dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag.
Der 7.Oktober 2023
Am 7.Oktober 2023 griffen die palästinensischen bewaffneten Gruppen (PAG) hauptsächlich zivile Ziele an und verübten völkerrechtswidrige Vergewaltigungen, Folter und Morde.
Zunächst wurde mit massiven Raketen- und Artillerie-Beschuss begonnen. Nachdem sich Zivilisten und die militärischen Kräfte in die Schutzräume zurückgezogen hatten, wurde der Zaun zwischen Gaza und Israel an vielen Stellen eingerissen und insgesamt etwa 1000 Kämpfer und palästinensische Zivilisten drangen auf israelisches Gebiet vor. Sie gingen gezielt gegen Menschen in den Schutzräumen vor, versuchten, sie durch List und Täuschung zum Verlassen der Räume zu bewegen oder zerstörten die Räume gezielt.
Das israelische Militär war unvorbereitet und wurde vom Angriff überrumpelt, es wurde nicht mit einem Angriff aus dieser Richtung gerechnet, viele Kräfte waren an der Grenze zum Libanon stationiert.
The armed groups attacked at least 19 kibbutzim and five moshavim (cooperative communities), the cities of Sderot and Ofakim, two music festivals, and a beach party. Community security called kitot konenut, or rapid response teams, and local police tried to resist the attackers until Israeli military forces arrived, often several hours after the assault had begun. The fighting lasted much of that day and, in some cases, longer. (3)
UN Update Report (4) | Wikipedia (2) | HRW (3) | |
Gesamt Tote | 1124 | 1139 | 1195 |
Zivile Tote | 829 | 766 | 815 |
Tote Soldaten | 295 | 373 | 380 |
Verletzte | 4834 | ca. 5400 | keine Angabe |
Geiseln | keine Angabe | 250 | 251 |
Die Angriffe wurden mit unvorstellbarer Grausamkeit durchgeführt. Gleichzeitig bereitete die Palästinensische Seite eine groß angelegte PR-Aktion vor, in dem die Grausamkeiten in Videosequenzen dokumentiert und verherrlicht wurden. Diese Taktik sollte zusätzlichen Schrecken verbreiten, die Unterstützung durch Sympathisanten sichern und den konkurrierenden Gruppen die Stärke der beteiligten Kampftruppen vor Augen führen. Zum Teil wurden den Angehörigen der israelischen Opfer über Facebook und Messengerdienste Aufnahmen und Videos der Tötungen gesendet. (2)
Im Bericht der UN zum 7.Oktober (1) werden mehrfach Palästinensische Zivilisten erwähnt, die sich an den Angriffen beteiligt hätten. Das zeigt, wie fließend die Grenze zwischen Zivilisten und Militärangehörigen in diesem Konflikt ist. Im Kriegsrecht werden solche Gruppen als unrechtmäßige Kombattanten bezeichnet, die bestimmte Schutzregeln verlieren.
Um sich, wenn das auch nur ansatzweise geht, eine Vorstellung von den entsetzlichen Vorgängen zu machen hier ein Ausschnitt aus dem in sehr sachlich gehaltenen Bericht der UN zu den Ereignissen des 7.Oktobers:
“In another incident investigated by the Commission, four of the six members of the Even family were killed by members of armed groups: mother Rinat Segev-Even, father Chen Even and their sons 16 -year-old Alon and 14-year-old Ido. Two remaining sons, 11 and 8 years old, survived the attack. According to the Commission’s investigation, the family had been hiding in the safe room of their home in the Vineyard neighborhood when at around midday, militants set their house on fire. The parents decided to take their children and jump out of the window of the second floor of the house. They landed safely and hid under the trees lining the perimeter of their house. At few hours later, militants located them and shot and killed the parents and the two older sons. The two youngest sons hid under their parents’ and brothers’ bodies and survived.” [(1) S.10]
Die sexualisierte Gewalt gegen Frauen im Zuge des Überfalls stellt ein besonderes Thema da. Die Hamas bestreitet das Vorkommen solcher Gewalt, weil es unislamisch sei. Im Bericht zum 7.Oktober(1) wird darauf hingewiesen, dass es neben den Berichten über die Verletzungen von Frauen und Mädchen nicht möglich war, diese Taten unabhängig zu verifizieren, da die israelischen Vertreter dies nicht zugelassen haben Die UN Vollversammlung hat auf diese Vorwürfe daher nur zögerlich reagiert (5). Erst im März 2024 berichtete Pramila Platten von ihren Untersuchungsergebnissen, nachdem schon viele verschiedene Untersuchungen zu dem Thema veröffentlicht wurden. In dem Kommentar zeigen sich die Relativierungsversuche einiger UN Repräsentanten von Algerien, der palästinensichen Vertretung und Russland.
Im UN Bericht wird aber eindeutig nachgewiesen, dass Opfer misshandelt und gefoltert wurden. So gab es eindeutige Nachweise für Enthauptungen und versuchte Enthauptungen, auch an schon Toten und Kindern. Es kam auch zu Verbrennungen von Opfern bei lebendigem Leib. Leichen wurden mit Sprengfallen präpariert. An den Misshandlungen beteiligten sich auch palästinensische Zivilisten. Die Beschreibungen der Grausamkeiten im Zuge des Angriffs sind nur schwer zu lesen. Gleichzeitig ist dieser Angriff wohl einer der am besten dokumentierten Menschenrechtsverletzungen, weil sich die Täter bei den Taten filmten und das Material von der Hamas als Propagandamaterial verwendet wurde. Auch die Opfer waren teilweise in der Lage, Taten direkt zu dokumentieren.
Die Verteidigungsmaßnahmen der militärischen Kräfte in der Region waren nicht angemessen. Zum einen wurden sie durch die Angriffe in die Defensive gedrängt, zum anderen war ihnen nicht bewusst, dass die Angriffe koordiniert und parallel an mehreren Orten passierten. [(1) S.39] Bei der Verteidigung wurde auch die sogenannte Hannibal-Direktive der israelischen Armee angewandt, Diese Direktive (6) erlaubt unter bestimmten Bedingungen das Töten von Israelis und Armeeangehörigen, wenn sie als Gefangene nicht befreit werden können. Der UN Report zum 7.Oktober erwähnt mehrere Verdachtsfälle der Anwendung der Direktive.
Die israelische Reaktion
Der Konflikt hat eine lange Geschichte, der Bericht der UN Update Report(4) weist ausdrücklich darauf hin, dass die Besetzung der palästinensischen Gebiete seit 1967 durch Israel illegal ist und zur Spannung beigetragen hat.
Die Opferzahlen im Gaza-Streifen können bisher nicht unabhängig bestätigt werden, aber die palästinensischen Behörden geben allein für den Zeitraum der ersten 6 Monate des Konfliktes 34.535 Tote und 77.704 Verletzte an. Bis heute hat sich die Zahl nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums auf 56.156 Tote und 132.239 Verletzte erhöht.
Zur Taktik der PAG gehörte es, sich in der Nähe von zivilen Gruppen aufzuhalten, um den Angriff der IDF zu erschweren. Die Angriffsziele der IDF waren neben militärischen Orten vor auch viele zivile Orte. Die Vorgehensweise der IDF muss nach den Aussagen des Internationalen Gerichtshofs dem internationalem Völkerrecht genügen. Davon kann nach der Aussage der UN keine Rede sein. Als generellen Beweis nutzt der UN Bericht einen Vergleich der Alterspyramiden zwischen zwei Konflikten, zum einen der Opferaufstellung der OHCHR für den Konflikt ab dem Mai 2021, zum anderen den Konflikt in Gaza vom Oktober 2023 (4).


Aus dem Vergleich lässt sich ablesen, dass im Konflikt seit dem 7.Oktober viel mehr Frauen und Kinder betroffen sind. Der Anteil der Kinder ist sogar höher als der Anteil der 20-29 jährigen Opfer, ein zu erwartender Hauptanteil von an den Kampfhandlungen beteiligten Personen. Bei der Aufstellung der Opfer seit dem 7.Oktober sieht man nahezu eine normale Alters- und Geschlechtsverteilung. Damit wird klar, dass die Angriffe nicht differenzierend geplant sind. So sind im aktuellen Konflikt mehr als 19% der Bevölkerung der Jungen aus dem Altersbereich 0-14 Jahre Opfer geworden, im Konflikt von 2021 weniger als 14%. Während sich 2021 noch eine klare Differenzierung zwischen Frauen und Männern ausmachen lässt, sind die Zahlen ab Oktober eher ausgeglichen. Eine Erklärung für diese Unterschiede lässt sich in der veränderten Angriffstaktik finden. So wurden viel mehr zivile Ziele angegriffen und bombardiert, gleichzeitig wurde jegliche humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung durch militärische Maßnahmen unterbunden. Der Einsatz von weißem Phosphor als Munition in dicht besiedelten Gebieten hat zu vielen Verbrennungsverletzungen und Toten geführt. Der Bericht führt als weitere Verletzungen des Völkerrechts die Angriffe und Tötungen von medizinischem und humanitären Personals, von Journalisten an, ebenso die häufigen Vertreibungen der Zivilbevölkerung im Zuge der Kampfhandlungen und die fehlende Versorgung der Vertriebenen. Auch die systematische Zerstörung von Infrastrukturelementen wie Schulen, Krankenhäusern und Kommunikationsanlagen genügt nicht den Anforderungen der Differenzierung von militärischen und zivilen Zielen. Auch die Taktik der PAG, diese Anlagen bevorzugt für militärische Operationen zu nutzen, rechtfertigt nach Ansicht der UN die Zerstörungen nicht. Von den Angriffen sind auch kulturhistorisch bedeutsame Stätten betroffen.
Neben diesen Verletzungen des Völkerrechts durch die IDF wird in dem Bericht auch auf die widerrechtliche Geiselnahmen der PAG und die auch nach dem 7.Oktober anhaltende entwürdigende Behandlung hingewiesen. Beide Konfliktparteien benutzen eine pauschale und aggressive Rhetorik bei der Diskussion über den Konflikt und drohen sich gegenseitig weiterhin mit Völkerrechtsverletzungen.
Teil I: Was kann ich dazu schreiben
Teil III Gerechter Krieg?
(1) UN Report on 7.October 2023 https://www.un.org/unispal/wp-content/uploads/2024/06/a-hrc-56-crp-3.pdf
(2) 7.Oktober 2023 Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Terrorangriff_der_Hamas_auf_Israel_2023
(3) Human Rights Watch https://www.hrw.org/report/2024/07/17/i-cant-erase-all-blood-my-mind/palestinian-armed-groups-october-7-assault-israel
(4) UN Report Update Report: https://www.un.org/unispal/document/update-report-08nov24/
UN Reaktionen Beide Seiten begehen Kriegsverbrechen https://news.un.org/en/story/2023/11/1143362
(5) UN Nachricht zu Pramila Platten Bericht zu sexueller Gewalt am 7.Oktboer https://press.un.org/en/2024/sc15621.doc.htm
(6) Hannibal-Direktive https://de.wikipedia.org/wiki/Hannibal-Direktive?wprov=sfti1#
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